Uwe Bjorck/ Juni 28, 2020/ Blog

Am Verlauf der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen, können wir deutlich erkennen, wie wichtig es ist, Menschen ihre Existenzängste zu nehmen. Diese Pandemie aber auch andere Krisen machen die Lücken der bestehenden Existenzsicherung unübersehbar: Für Kurzarbeitende, für Eltern, für Studierende sowie für Künstler*innen und Selbstständige.
Wenig erfolgreich bemüht sich die Politik derzeit, diese Lücken zu schließen.
Gäbe es bereits ein Grundeinkommen, hätten wir einige Probleme weniger. Doch dieses Grundeinkommen müsste bedingungslos sein und zudem nicht nur die Existenz von uns Menschen sichern, sondern auch die Teilhabe. Es nützt nichts, wenn zwar der Kühlschrank gefüllt ist und wir alle mit Masken ausgestattet sind, wir aber nicht von uns hemmenden Existenz- und Zukunftsängsten befreit werden.
So sehen es zumindest die fast eine halbe Million Menschen, die eine Petition bei change.org unterschrieben und die mehr als 170.000 Menschen, die eine Petition an den Deutschen Bundestag unterstützt haben.
Eine so breite Unterstützung von Petitionen gab es noch nie. Diese Stimmen können nicht unter den Tisch gekehrt werden.

Weniger Druck, mehr Produktivität
Seit kurzem liegen nun die Auswertungen des finnischen Modellprojekts zum Grundeinkommen vor. Bis Ende 2019 erhielten dabei 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose ein Grundeinkommen. Dieses war zwar nicht höher, als ihre bisherige Arbeitslosenunterstützung, aber ohne Einkommensprüfung und ohne die Bedingung, aktiv auf dem Arbeitsmarkt zu sein. Auch wenn dies nicht vergleichbar mit einem wirklichen Grundeinkommen, können wir aus den Ergebnissen etwas lernen.

Da wären zuerst die Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik. Diejenigen, die ein Grundeinkommen erhielten, fanden etwas einfacher und öfter eine Beschäftigung als Arbeitslose in dem Zwang, ihre Bemühungen beweisen zu müssen und damit rechnen mussten, sanktioniert zu werden. Die These vieler Kritiker*innen des Grundeinkommens, Druck wäre das effiziente Mittel die Motivation eine Erwerbsarbeit zu erhöhen, erwies sich somit als falsch. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

Gesteigertes soziales Engagement
Eine weitere wesentliche Erkenntnis des Experiments zeigt, dass die Menschen, die dieses Grundeinkommen erhielten signifikant zufriedener und glücklicher waren. Sie entwickelten mehr Vertrauen in ihre Mitmenschen und in die staatlichen Institutionen. Das ist ein zentraler Aspekt für jeden Sozialstaat.
Darüber hinaus verbesserten sich ihre kognitiven Fähigkeiten sowie ihr Erinnerungsvermögen. Sie waren also nicht nur glücklicher und weniger gestresst, sondern dadurch auch gesünder und leistungsfähiger.
So zeigten sie auch ein gesteigertes soziales Engagement, beteiligten sich mehr in der Nachbarschaftshilfe und für die Pflege- und Familienarbeit entstand mehr Raum.

Das gesteigerte Sicherheitsempfinden löste die Angst vor Existenznöten ab. Der psychische Druck wurde ihnen genommen. Und das alles nur, weil die Sozialleistung unbürokratisch und voraussetzungslos ausbezahlt wurde.

Wir können aus Finnland lernen
Wir können also vom finnischen Experiment lernen, dass es den Menschen subjektiv besser geht und dies gleichzeitig positive Effekte auf den Arbeitsmarkt hat.
Aber es gibt auch Fehler in dem finnischen Experiment, die wir in Deutschland nicht wiederholen müssen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Beschränkung auf Arbeitslose. Und nicht nur das. Bei genauem Hinsehen erkennen wir, dass nur eine bestimmte Gruppe der Arbeitslosen das Grundeinkommen erhielt. Nämlich die Langzeitarbeitslosen, die schon über Jahre vom Mindestarbeitslosengeld leben mussten.
Wahrscheinlich hätte sich der positive Arbeitsmarkteffekt noch stärker ausgewirkt, wenn auch Kurzzeitarbeitslose ein Grundeinkommen erhalten hätten, da diese bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Zudem wäre es näher an der Realität eines echten Bedingungslosen Grundeinkommens und damit aussagekräftiger.
Doch auch Erwerbstätige hätten mit einbezogen werden können. Wie hätte sich in dieser Gruppe ein Grundeinkommen ausgewirkt. Wären auch sie zufriedener gewesen? Hätten vorher Unzufriedene vielleicht ihren Arbeitsplatz gewechselt oder sich weitergebildet?
Hier bleibt uns das finnische Experiment die Antworten schuldig.
Die haben die Wissenschaftler*innen, die dieses Experiment begleitet haben, von vornherein kritisiert. Wir sollten bei zukünftigen Experimenten der Wissenschaft also mehr Freiraum geben und politische Einmischung gering halten.

Packen wir es an!
Wir stehen alle vor wichtigen Veränderungen. Und das schon in nächster Zukunft. Um diese zu meistern, ist eine bessere Existenzsicherung und eine verbesserte Möglichkeit jedes Menschen, sein Umfeld positiv mitgestalten zu können dringend nötig. Jetzt ist die Zeit für ernsthafte Debatten über das Grundeinkommen. Ein eigenes Modellprojekt kann die sinnvolle Grundlage dafür sein. Warum kein Modellprojekt in Bremen?

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